25.03.2012

BAG-Urteil: Altersunabhängiger Anspruch auf 30 Urlaubstage Hinweise für Mitglieder

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März 2012 zur tariflichen Regelung der Urlaubsdauer verstößt die Staffelung durch das Lebensalter in § 26 Absatz 1 Satz 2 TVöD gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters und ist damit unwirksam.

In den Augen der Bundesrichter hat die unterschiedliche Urlaubsdauer nach dem TVöD von Beschäftigten unter 30 Jahren (26 Arbeitstage), zwischen 30 und 39 Jahren (29 Arbeitstage) sowie ab 40 Jahren (30 Arbeitstage) vor dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) keinen Bestand.

 

Vielmehr sind Beschäftigte vor Vollendung des 40. Lebensjahres durch eine geringeren als 30 Arbeitstage umfassenden Erholungsurlaub unmittelbar benachteiligt (§ 7 Absatz 1 und Absatz 2 in Verbindung mit § 1 AGG). Diese Diskriminierung kann nur durch die Anpassung des individuellen Urlaubsanspruches nach oben, sprich auf die Dauer von 30 Arbeitstagen bei Verteilung der Wochenarbeitszeit auf die 5-Tagewoche, beseitigt werden (BAG, Urteil vom 20. März 2012, Aktenzeichen 9 AZR 529/10). ?Das Urteil kann folglich nur für Beschäftigte einen zusätzlichen Urlaubsanspruch bewirken, die jünger als 40 Jahre sind und demzufolge noch einen bisherigen Urlaubs- anspruch von weniger als 30 Tagen haben.

 

Welche Konsequenzen sind im Einzelfall zu beachten?

 

• Tarifbereich, Regelfall 5-Tage-Woche:

Das Urteil bewirkt unmittelbar für alle Arbeitsverhältnisse, die dem TVöD unterliegen, für den Regelfall der Beschäftigung in einer 5-Tage-Woche einen Anspruch auf einen Jahresurlaub von 30 statt 26 bzw. 29 Arbeitstagen.

 

Das Urteil erstreckt sich auch auf Arbeitsverhältnisse, die anderen Tarifverträgen unterliegen und hinsichtlich Urlaubsdauer auf den TVöD Bezug nehmen. Dies trifft insbesondere auf Auszubildende und Praktikanten zu, die z. B. nach TVAöD AT, nach TVPöD, TVA-L BBiG, TVA-L Pflege, TV Prakt-L, oder TVN-BA beschäftigt sind.

 

Das Urteil erstreckt sich auch auf Arbeitsverhältnisse, die einem Tarifvertrag unterliegen, der eine dem TVöD entsprechende wortgleiche Altersstaffelung hinsichtlich Urlaubsdauer beinhaltet. Hierzu gehören beispielsweise der TV-L und der TV-BA.

 

Das Urteil erstreckt sich nicht auf Arbeitsverhältnisse, die keinen Bezug zu einem Tarif- vertrag haben und bei denen z. B. der Urlaubsanspruch einzelvertraglich geregelt ist.

Das Urteil erstreckt sich auch nicht auf Arbeitsverhältnisse, die auf Tarifregelungen Bezug nehmen, die anstelle der altersdiskriminierenden Urlaubsstaffelung wirksame Differenzierungen nach Entgeltgruppen sowie nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit oder nach Beschäftigungsjahren anführen wie beispielsweise der TV-V (Versorgungsbetriebe).

 

• Tarifbereich, abweichende wöchentliche Arbeitszeit:

Verteilt sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf mehr oder weniger als fünf Tage in der Woche, berechnet sich der Urlaubsanspruch nach der Anzahl der Arbeits- tage der durchschnittlichen Arbeitswoche im Verhältnis zu einer Arbeitswoche mit fünf Arbeitstagen. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet (§ 26 Absatz 1 Satz 5 TVöD).

 

Für die Berechnung des Urlaubsanspruchs kommt es nicht auf die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit an, maßgeblich ist vielmehr die Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf die Arbeitstage in der Woche. Dies bedeutet insbesondere, dass Teilzeitbeschäftigte den gleichen Urlaubsanspruch wie Vollbeschäftigte haben.

 

Beispiele:?Dazu zusammenfassend folgende Beispiele nach bisheriger sowie neuer Rechtslage aufgrund der aktuellen BAG-Entscheidung:

 

Beispiel Urlaubsanspruch bisher Urlaubsanspruch neu

5-Tagewoche Ein 24-jähriger Beschäftigter arbeitet regel-mäßig an fünf Tagen in der KW = 26 Arbeitstage =30 Arbeitstage

5-Tagewoche Ein 35-jähriger Beschäftigter arbeitet regel-mäßig an fünf Tagen in der KW = 29 Arbeitstage = 30 Arbeitstage

3-Tagewoche Ein 24-jähriger Beschäftigter arbeitet regel-mäßig an drei Tagen in der KW 3/5 von 26 ergibt = 16 Arbeitstage

(15,6 aufgerundet) 3/5 von 30 ergibt = 18 Arbeitstage

4-Tagewoche Ein 35-jähriger Beschäftigter arbeitet regel-mäßig an vier Tagen in der KW 4/5 von 29 ergibt = 23 Arbeitstage

(23,2 abgerundet) 4/5 von 30 ergibt = 24 Arbeitstage

6-Tagewoche Ein 35-jähriger Beschäftigter arbeitet regel-mäßig an vier Tagen in der KW 6/5 von 29 ergibt = 35 Arbeitstage

(34,8 aufgerundet) 6/5 von 30 ergibt = 36 Arbeitstage

 

• Tarifbereich, Geltendmachung der zusätzlichen Urlaubstage für 2012:

Die Geltendmachung von zusätzlichen Urlaubstagen ab dem laufenden Kalenderjahr 2012 erfolgt individuell durch den Beschäftigten, Auszubildenden oder Praktikanten. Hierzu kann das beigefügte Antragsmuster (Anlage) verwendet werden.

 

• Tarifbereich, Geltendmachung der zusätzlichen Urlaubstage für 2011:

Hier ist die Tarifregelung zu beachten, dass der nach dem Bundesurlaubsgesetz übertragene Urlaub regelmäßig bis zum 31. März des Folgejahres anzutreten ist, das heißt der erste beantragte Urlaubstag muss spätestens der letzte individuelle Arbeitstag des Monats März 2012 sein. Kann dies wegen Arbeitsunfähigkeit, aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen nicht erfolgen, so ist der Resturlaub im Fall der Übertragung in der Regel bis zum 31. Mai anzutreten. Weitergehende Fristen können im Einzelfall einschlägig sein.

 

Für das abgelaufene Kalenderjahr 2011 wäre deswegen unverzüglich ein Antrag auf Übertragung des zusätzlichen Urlaubsanspruchs in das Kalenderjahr 2012 zu stellen, verbunden mit dem Antrag, diesen bis zum 31. März 2012 anzutreten.?Auch für diesen Sachverhalt kann das o.g. Antragsmuster verwendet werden.

 

• Nachweis der fristgerechten Antragstellung:

Das Antragsmuster sieht vor, dass seitens des Arbeitgebers eine Eingangsbestätigung erbeten wird. Dies kann entbehrlich werden, wenn stattdessen bei der Posteingangs- stelle des Arbeitgebers eine Antragskopie vorgelegt wird, auf der der Eingang des Originals mit Datum und Unterschrift bestätigt wird.

 

• Beamtenbereich:

Eine Änderung der in Brandenburg als Rechtsgrundlage anwendbaren Erholungsurlaubs- und Dienstbefreiungsverordnung (§ 2 EurlDbV) muss in Form einer Gesetzesanpassung erfolgen. Daraus ergibt sich nicht die Notwendigkeit so kurzfristiger Antragstellung wie im Tarifbereich, da der Jahresurlaub bzw. Teile des Jahresurlaubs noch bis zum 30. September des Folgejahres gewährt werden können (§ 10 EurlDbV). Der dbb brandenburg wird sich für eine adäquate Übertragung auch auf den Beamtenbereich einsetzen.

 

Weitere Hinweise erhalten Sie auf der Homepage unserer Spitzenorganisation: www.dbb-brandenburg.de

 

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